Sexualtherapeutin Dr. Tod über Wechseljahre
Sexualität und die Wechseljahre
Dr. Sandra Tod beschäftigt sich in ihrer Praxis mit den unterschiedlichsten Fragestellungen ihrer Klientinnen und Klienten. Mit ihr können sie körperliche Beschwerden, depressive Episoden, Gefühle der Orientierungslosigkeit, sexuelle Probleme oder Beziehungsprobleme besprechen. Möglich wird die Lösung dieser Probleme durch die „Bewusstseinsmedizin“.
Liebe Frau Dr. Tod, bitte erklären Sie uns, was wir uns unter Bewusstseinsmedizin vorstellen können und warum sie in den Wechseljahren besonders von Bedeutung sein kann.
Wir leben heutzutage in einer sehr schnelllebigen Zeit, Menschen nehmen sich nur sehr wenig Zeit, um mit sich selbst in Kontakt zu kommen. Die Bewusstseinsmedizin arbeitet mit Elementen der Meditation, der oberflächlichen Tranceinduktion, um unbewusste Blockaden beleuchten und verändern zu können. Das zentrale Element sind „innere Bilder“, die dazu verhelfen den roten Faden des Problems aufzuzeigen und Lösungsschritte entwickeln zu können. Eine Vision zu entwickeln, die Lust darauf weckt das ungeliebte Potenzial in die Tat umzusetzen, ist der wichtigste Schritt - denn dadurch wird die Eigenmotivation gezündet. Denn Veränderungsschritte bedeuten immer auch aus der Komfortzone herauszutreten!
Bei der Methode „Wildwuchs“ geht es um die Selbstheilungskräfte des eigenen Körpers. Wie ist es möglich, Körper und Psyche zur Selbstheilung zu animieren? Kann jeder Mensch diese heilenden Kräfte aktivieren und auf welchem Weg kann das gelingen?
Jeder Mensch besitzt Selbstheilkräfte und diese können auch aktiviert werden. Jedoch benötigt jeder Mensch eine Vision, also in gewisser Weise ein Ziel, für das es sich lohnt sich zu verändern und darauf hinzuarbeiten. Die Wildwuchsmethode zielt darauf ab, den Zugang zum eigenen Körper zu finden. Durch eine oberflächliche Tranceinduktion werden die mentalen Kontrollmuster abgeschwächt und die Körperintelligenz kommt endlich zu „Wort“ - das sich in inneren Bildern ausdrückt. Durch den Kontakt mit dem Körperinneren, dem Problemort, den Sexualorganen, dem Kraftort beispielsweise, wird die Logik der Beschwerde bewusst und die inneren Bilder helfen wie Puzzleteile ein Ganzes zu entwerfen.
Bei vielen Frauen ergeben sich in den Wechseljahren unterschiedliche Themen, über die in der Öffentlichkeit nicht gerne gesprochen wird, sexuelle Probleme zum Beispiel. Einige Frauen verlieren die Lust am Sex und wissen nicht, ob es an den Hormonen oder dem Partner liegt. Kommt die Libido wieder zurück bzw. wie geht dieser Prozess vor sich?
Die Libido ist unsere Lebensenergie. Nach dem „1. Leben“ bis 50 haben wir diese Lebensenergie oft der Fruchtbarkeit und der Familie zur Verfügung gestellt. Ab 50 ist jetzt endlich Zeit für unsere Weiblichkeit! Wichtig ist, mit sich selbst in Kontakt zu treten und seinen Körper bewusst wahrzunehmen, das heißt, seinen Körper nach seinen Wünschen und Bedürfnissen zu fragen. In unserer westlichen Kultur wird Sexualität nicht gelehrt, sondern entwickelt sich durch zufälliges Entdecken. Der Orgasmus-Reflex ist quasi angeboren und entsteht aus Anspannung und manuellen Berührungen.
Um die Libido weiter zu entfalten, ist es wichtig, auch den wellenförmigen, flexiblen Modus ins Leben zu integrieren. Betrachtet euren ganzen Körper als Sexualorgan und nicht nur eure Geschlechtsorgane. Der Körper ist wie ein Instrument, wenn man nicht geübt ist und nur eine Saite der Gitarre spielen kann, wird man nur einen Ton hervorbringen. „Beherrscht“ man jedoch das ganze Instrument, gelingt es wunderbare Melodien zu spielen.
Mit welchen Methoden kann der Leidensdruck bei sexuellen Problemen in der Partnerschaft verringert werden?
Ich empfehle auch hier durch die vorhin beschriebene Wildwuchsmethode den Zugang zum eigenen Körper zu finden und auf diese Weise mit den Sexualorganen zu kommunizieren. Sexuelles Selbstbewusstsein ist ein wichtiger Anker im Leben. Hier haben oft Frauen in den Wechseljahren Probleme und wollen dem subjektiv schwindenden Attraktivitätsstatus mittels Schönheitschirurgie Einhalt gebieten. Wir entscheiden innerhalb von 0,21 Sekunden, ob wir jemanden sexuell anziehend finden. Männer legen ihr Augenmerk hier auf die Relation von Taille und Oberweite, Frauen achten auf die Größe sowie darauf, wie muskulös ihr Gegenüber ist. Doch sexuelle Attraktivität kann man nur im wahrsten Sinne des Wortes "oberflächlich" durch diverse Schönheits-Operationen aneignen. Vielmehr geht es darum, sich „selbst-bewusst“ wahrzunehmen, sich selbst zu lieben und somit eine anziehende Ausstrahlung zu erzeugen.
Was können wir uns unter Sexualtherapie vorstellen? Wann ist diese sinnvoll?
Sexualtherapie ist ein dynamisches Therapiekonzept, sie setzt sich aus vier Teilbereichen zusammen: Körper, Gefühle, Wissen und Beziehungsfähigkeit. Der Körper wird hier als Führungselement angesehen, er spiegelt immer das Ergebnis aus Gefühlen und Gedanken wider. Beispielsweise haben depressive Patienten meist eine sehr gebückte Körperhaltung. Aufrechte Menschen wirken dagegen „aufrichtig“, authentisch. Wir erkennen den Unterschied der etwas „steifen“ Variante des Versuchens "aufrecht" zu erscheinen und der fluiden, lebendigen Körperhaltung.
Der Mensch funktioniert ähnlich wie ein Zahnradsystem: Die Psychotherapie dreht an kleinen Rädern, die Sexualtherapie dreht direkt am Beckenboden, dem zentralen Steuerrad des Körpers. Eine winzige, bewusste Veränderung am Beckenboden und alle anderen kleine Räder drehe sich mit. Mit allen Vor- und Nachteilen. Sexualtherapie ist eine sehr rasche Möglichkeit Veränderungen zu erleben. Dafür muss man aber auch immer etwas aufgeben.
Bitte beschreiben Sie den Ablauf einer Therapiesitzung!
Eine Therapiesitzung läuft meist nach dem Zwiebelschalenmodell ab, durch jede Sitzung entfernt man eine Schicht, um am Ende immer mehr zur Essenz zu gelangen. Die kann ohne die umliegenden Schichten wieder strahlen. Man entfernt quasi Dinge, die man sich im Laufe seines Lebens angeeignet hat, die aber nicht zu einem gehören.
Am Beginn jeder Therapie wird ein Anamnesegespräch geführt. Alleine oder auch als Paar. Darauf folgt ein individueller Caochingplan, der ungefähr 3-5 Therapieeinheiten zu ca. 1,5 Stunden empfiehlt. Oft in größeren Zeiteinheiten, zwischen wöchentlich und monatlich, weil die Erfahrung mit dem neuen Körpergefühl Zeit braucht, um sich zu verankern. Telefoncoaching zwischendurch ist wichtig, weil die Veränderungsschritte im Alltag oft nicht einfach umzusetzen sind. Da braucht man doch ein wenig positives Feedback und Erfahrungsweisheit!
Haben Sie Erfahrung mit Paaren, bei denen die Frau Wechselprobleme hat? Was sind die Themen, die Paare in den Wechseljahren besonders beschäftigen? Was kann der Mann tun, um seine Partnerin zu unterstützen?
Dank unserer modernen Medizin ist die Menopause oft genau die Mitte des Lebens. Pause heißt in dem Fall eine Pause, um einen neuen Visionsschritt im Leben machen zu können. Die ersten 49 Jahre ist die Frau meist nur sehr wenig mit sich selbst beschäftigt. Sie kümmert sich vielleicht um die Kinder und/oder baut sich ein berufliches und finanzielles Standbein auf.
Noch vor 1-2 Generationen war man dann alt. Wir sind die 1. Generation die noch einmal ein 2. Leben mit 7x7 Jahren vor sich hat. Und wir sind körperlich und geistig fitter denn je!
Die klassischen Symptome können gut behandelt werden. Am besten mit hormonähnlichen (pflanzlichen) Substanzen, weil die Hormonrezeptoren noch aktiv sind! Schlafstörungen, Hitzewallungen und depressive Verstimmtheit haben oft etwas mit den nicht mehr ausreichend produzierten Hormonen zu tun. Es ist eine Zeit wo so viel wie nötig und so wenig wie möglich substituiert werden sollte.
Männer haben ebenfalls Probleme. Das Bäuchlein wächst und die Haare werden schütter. Auch hier ist ein Anpassen an das Älterwerden gefragt. Männer versuchen weiterhin zu funktionieren, und kippen dann oft in eine Belastungsdepression - Burnout genannt. Probleme wie Impotenz können dem Selbstwertgefühl der Männer stark zusetzen. Auch hier kann die dynamische Entspannung des Körpers im wellenförmigen Modus sehr gut helfen sich wieder oder erstmals ganz bewusst spüren zu lernen.
Unterstützung auf beiden Seiten ist sich Zeit zu zweit zu nehmen, denn nur durch die Erfahrung mit neuen Techniken und Ideen kann wieder eine neue Form der Sicherheit in der Beziehung erlangt werden. „Von nix kommt eben wirklich nix!“
Ich empfehle den Paaren zumindest 1x wöchentlich 111 Minuten liebevoll miteinander zu verbringen. Nicht mit dem Fokus unbedingt Geschlechtsverkehr zu haben, sondern sich einfach gegenseitig Zeit zu schenken, ohne Ablenkungen wie Fernsehen oder Handy.
Wie überzeugt eine Frau ihren Mann, gemeinsam an einem Problem in der Beziehung zu arbeiten? Es gibt ja immer wieder Männer, die von diesem „Psychokram“ nicht überzeugt sind.
Gerade ein Mann muss Visionen haben, für die es sich lohnt Zeit und Geld zu investieren. Die Idee, erfüllende Sexualität leben zu wollen, ist vielleicht die beste Möglichkeit einen Mann mit ins Boot zu holen!
In langjährigen Partnerschaften neigt man dazu, sich in einer Symbiose zu verwickeln. Die Sexualtherapie versucht diese zu entflechten, um beiden Partnern zu ermöglichen sich als eigenständige Persönlichkeiten wahrnehmen zu können. Auf dieser gesunden, erwachsenen Ebene, wo man mit sich selbst glücklich und zufrieden ist und nicht mehr vom Partner abhängig ist um glücklich zu sein, erlangt man Freiheit.
Die gute Nachricht lautet: Sexuelle Probleme in den Wechseljahren sind völlig normal und helfen - wenn man bewusst hinschauen möchte - eine neue Vision fürs Leben zu entwickeln. So kann man aus einem angespannten Verhältnis zu sich selbst und zum Partner zu einer entspannten und liebevollen, sexuell aktiven Beziehung finden.
Dr. Sandra Tod
Ärztin für Allgemeinmedizin, klinische Sexologin nach AS arbeitet seit 13 Jahren in eigener Praxis als Ärztin & Coach
www.doktortod.com
www.bewusstseinsmedizin.at
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