Empty Nest Syndrom: Und plötzlich war sie weg

Empty Nest Syndrom: Und plötzlich war sie weg

Wechseljahre und das Empty Nest Syndrom

Liebe Helga, du bist alleinerziehende Mutter einer Tochter. Berichte uns bitte von dem Moment als deine Tochter in die Ferne zog um zu studieren.

Ich schloss die Tür meines, plötzlich unendlich groß wirkenden, Hauses und lehnte mich dagegen. Der süßliche Duft ihres Parfums hing noch in der Luft und direkt neben der Tür stand ihre Kosmetiktasche, ich hatte ihr prophezeit, dass sie sie vergessen würde, sie hatte meine Bedenken mit einem „Mama ich bin jetzt erwachsen und weiß schon was ich alles mitnehmen muss“ weggewischt. Nichts beschreibt meine Tochter besser als ihre fröhliche und beschwingte Art Probleme einfach wegzublasen und einem das Gefühl zu geben, dass das alles in Ordnung war.

Gedankenverloren ging ich durch die einzelnen Räume des Hauses, hier hatte sie 19 Jahre lang beinahe jeden Tag verbracht. Ich sah sie vor meinem inneren Auge in der Gehschule spielen, ihre Hausaufgaben machen, später mit ihren Freunden am Küchentisch sitzen, mit erwartungsvollen Augen vor der bevorstehenden Party. Doch ich sah sie auch verzweifelt auf der Couch kauern, als sie von gebrochenen Herzen und nicht bestanden Mathematik-Schularbeiten erzählte.

Ich hatte sie alleine großgezogenen, mit meiner Schwester im gleichen Haus lebend. Menschen sprachen immer von der schwierigen Pubertät von Töchtern, doch niemand sprach über dieses Gefühl, das sich gerade in meinem Herzen ausbreitete. Meine Tochter hatte das kleine steirische Gebirgsdorf verlassen und war zum Studieren nach Wien gezogen. Und obwohl ich stolzer nicht sein hätte können, spürte ich ebenso einen gewissen Druck am Herzen.

Du wusstest ja, dass dieser Moment irgendwann kommen würde. Traf er dich dennoch unerwartet? Erzähle uns bitte was du gefühlt hast!

Ich kannte viele alleinerziehende Mütter, die alles perfekt geplant hatten und bei denen alles nach Strich und Faden verlief, das war bei uns nie der Fall gewesen. Wir hatten unsere eigenen Regeln aufgestellt, sie wieder verworfen und hatten schlussendlich immer genau das getan was für uns das Beste gewesen war. Vielleicht bereiteten sich andere Mütter auch auf diesen Moment besser vor, mich traf es unerwartet heftig.

Mir fehlte ihr Lachen, das so früher so laut durch die ganze Wohnung gedröhnt war, es ging mir sogar das Piepen ihres Handys ab, das mich früher zur Weißglut getrieben hatte. Doch auch hier fanden wir unseren ganz eigenen Weg.

Und wie sah dieser aus?

Schon bevor meine Tochter nach Wien gegangen war, liebte ich diese Stadt. Durch sie hatte ich die Möglichkeit sie von einer ganz anderen Seite kennenzulernen. Oft kam ich über das Wochenende und erkundete mit ihr zusammen dieses großartige Wien.

 

 

In den Wechseljahren ändert sich viel und das ist nicht immer einfach
In den Wechseljahren ändert sich viel und das ist nicht immer einfach

 

Wie hat sich die Beziehung zu deiner Tochter durch den Umzug entwickelt?

Die Sorgen die ich mir anfangs um sie gemacht hatte, wichen mit der Zeit, als ich sah wie sehr sie diese Stadt genoss und ihren eigenen Weg fand. Sie entwickelte sich zu einem jungen, kritisch-denkenden, eigenständigen und verantwortungsbewussten Menschen.

Doch egal wie weit sie auch entfernt war, änderten sich die meisten Dinge nie. Sie rief mich mitten in der Nacht an um von Männern zu erzählen, nach einer Klausur blieb ich ihr erster Anruf und bei jeder noch so kleinen Frage im Haushalt wählte sie meine Nummer.

Das Empty Nest sehe ich heute als eine Art Chance an, eine Chance sich auch wieder auf sein eigenes Leben so konzentrieren, ich treffe mich wieder mehr mit Freunden und gehe in Ausstellungen und Konzerte. Es stimmt, die Beziehung zu seinem Kind verändert sich, aber in unserem Fall, intensivierte sie sich sogar noch stärker. Sie wurde von meinem kleinen Mädchen zu einer tollen Gesprächspartnerin auf Augenhöhe und meiner engsten Beraterin. 

Danke für das Interview!


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