Brainsisters: Die seelische Wunde der Frau

Brainsisters: Die seelische Wunde der Frau

Kinesiologin Fr Fischer über Seele und Weiblichkeit im Wechsel

 

Liebe Frau Fischer, warum sind Frauen Ihrer Meinung nach so selbstkritisch? Ist das ein rein weibliches Problem oder sind auch Männer betroffen?  

Ich glaube, dass das ein Problem ist, von dem sehr wohl auch Männer betroffen sind, jedoch sprechen sie oft nicht darüber. Allerdings sind diese selbstkritischen Tendenzen öfters bei Frauen als bei Männern zu finden. Das hat damit zu tun, dass Frauen dieses Erbe in sich tragen, das im Laufe der Zeit dazu führte, dass das Weibliche in unserer Gesellschaft immer mehr an Wert verlor. Ergänzend dazu ist die Beeinflussung der Medien und der Werbeindustrie, die Frauen ganz starke Vorgaben in Sachen Aussehen vermitteln. Die alternde Frau wird hier nicht als schön oder begehrenswert erachtet, sondern im Trend steht die ewige Jugendlichkeit. Adjektive wie schön, schlank, jung und faltenfrei dominieren gängige Werbesujets großer Kampagnen. Dazu kommen in der heutigen Zeit natürlich auch noch die sozialen Medien, die einen enormen Druck auf das Selbstbild von Frauen ausüben. Aber ich erlebe auch viele junge Frauen, die soziale Medien unter einem sehr kritischen Aspekt betrachten, welches mich freut. Wenn man sich die Ideale von Frauenbildern früherer Zeiten ansieht, sehen diese jedoch noch deutlich anders aus.

Wird durch die Wechseljahre der eigene Selbstwert von Frauen geschwächt? Wie kann man dem entgegenwirken?  

Grundsätzlich wird diese Eigenwahrnehmung auch sehr stark von unserer Gesellschaft beeinflusst, wenn man nicht mehr fruchtbar ist, fühlen sich viele Frauen weniger schön und wertvoll. Das gab es in früheren Kulturen nicht, denn dort wurden ältere Menschen als besonders wertvoll und weise angesehen. Dem entgegenzuwirken ist oftmals durch den gesellschaftlichen Druck nicht so einfach, jedoch sollte man sich selbst fragen, was man wirklich gerne machen würde und dann seinem Herzen folgen. Jetzt ist die Zeit, sich mit seinen eigenen Erfahrungen, Ressourcen und Fähigkeiten auseinanderzusetzen und sich die persönlichen Errungenschaften vor Augen zu halten. So erkennt frau was sie alles erreicht hat, unabhängig davon, ob die Gesellschaft dies als wertvoll erachtet oder nicht. Denn im Endeffekt geht es nicht darum, wie viel ich im Laufe meines Lebens verdient habe, sondern um ganz andere Werte. Man sollte sich aktiv mit den für einen selber wichtigen Werten auseinander setzen. Ich halte die Frau nach dem Wechsel keineswegs für zu wenig selbstbewusst, sondern viele haben durch den Wechsel enorm profitiert.

 

 

Selbstliebe im Wechsel
Selbstliebe im Wechsel

 

Wie kann man seine Sexualität auch in den Wechseljahren bewahren?  

Ich möchte hier die TCM (Traditionell Chinesische Medizin) als Beispiel nehmen, da es in der TCM absolut klar ist, dass die Wechseljahre eine Zeit für die Frauen sind. Die Kinder sind dann aus dem Haus und die familiären Pflichten werden somit oft zweitrangig. In der TCM wird der Wechsel auch als der zweite Frühling betitelt. Frau sollte sich selbst nun in den Vordergrund stellen und überlegen, wie sie den Wechsel für sich selbst nutzen kann. Je mehr sie sich damit auseinandersetzt und sich aktiv um sich selbst kümmert, desto strahlender und sexuell anziehender wird sie auch werden. Außerdem haben die meisten Frauen dann auch weniger mit körperlichen Symptomen wie Hitzewallungen, Libidoverlust und Scheidentrockenheit zu kämpfen, da die überschüssige Hitze, die nach TCM austrocknete Wirkung hat, als Lebensfeuer für die Umsetzung der eigenen Visionen und Leidenschaften eingesetzt wird und so nicht im Körper bleibt. Ich finde den Ansatz der TCM in Bezug auf den Wechsel im Gegensatz zu unserer westlichen Schulmedizin sehr hilfreich.  

Wie sind die seelischen Wunden von Frauen im Laufe der Zeit entstanden?  

Das passierte in historisch gesehen in engem Zusammenhang mit der Entwicklung beziehungsweise Abwertung der gesellschaftlichen Stellung der Frau. In meinen Beratungen sehe ich immer wieder, dass wir uns besonders in der psychologischen Arbeit sehr stark der Ahnengeschichte annähern. Gerade Frauen, die Probleme mit ihrem eigenen Selbstwert haben, haben oft unbewusst mit sogenannten Ahnentraumata zu kämpfen, die sich bis in ihr heutiges Leben auswirken. Denn nicht nur körperliche Krankheiten, sondern auch psychische Traumata können weitervererbt werden. Diese kollektive Wunde trägt fast jede Frau in der modernen heutigen Gesellschaft noch in sich.        

Welchen Tipp würden Sie Frauen im Wechsel geben, um sich selbst besser abgrenzen und für sich selbst einzustehen können?  

Frauen müssen für sich selbst einstehen und akzeptieren, dass sie zwar nicht mehr jung, aber dennoch lebendig sind. Sie müssen sich trauen tief in sich einzutauchen, ihre Emotionalität zu leben und ihre vorhandene Kraft für ihre Visionen und Dinge einzusetzen, die ihnen selbst gut tun. Wichtig ist, dass frau sich selbst so akzeptiert, wie sie ist und ihre, auf dem Lebensweg erworbene Weisheit, für sich selbst und für andere selbstbestimmt einsetzt.    

Die Wechseljahre bedeuten somit nicht ein Attraktivitätsverlust für Frauen, vielmehr sollten Frauen ihre Erfahrungen und Fähigkeiten, die sie sich im Laufe der Jahre angeeignet haben, nutzen, um sich näher zu kommen und mit sich selbst im Einklang zu leben. Es ist die Zeit, sich aktiv mit sich selbst auseinander zu setzen und auch den Mut zu haben, die eine oder andere seelische Wunde liebevoll zu pflegen und eventuell zu schließen.  

Sylvia Fischer

T: 0699 / 122 92 119

E-Mail: fischer(at)brainsisters.at

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